In letzter Zeit habe ich immer öfter das Gefühl, dass viele Menschen zwar (miteinander) reden, aber eigentlich mehr und mehr aneinander vorbei. Das passiert nicht nur bei Fremden, sondern auch in der eigenen Familie.
Oft hören wir nicht richtig zu, sondern springen schnell mit eigenen Geschichten, Ratschlägen und Tipps ein.
Dabei bräuchte es manchmal „einfach nur“ ein offenes Ohr.
Heute wollen wir uns deshalb anschauen, warum Zuhören so wichtig ist und wie wir durch Aktives Zuhören* unsere Beziehung zueinander (wieder) stärken können.
Warum Erzählen und Zuhören wichtig sind
Bevor wir etwas aussprechen, müssen wir alle damit zusammenhängenden Daten, Fakten, Gefühle,… im Kopf sortieren. Erzählen hilft uns also dabei, unsere Gedanken zu strukturieren. Dabei wird Wichtiges von Unwichtigem getrennt und wir gewinnen Klarheit über unsere eigenen Wünsche und Gefühle. Wenn wir jemanden erzählen lassen, ermöglichen wir es dieser Person, sich selbst besser zu verstehen und sich darüber bewusst zu werden, was sie wirklich bewegt.
Durch unser Zuhören vermitteln wir unserem Gegenüber das Gefühl, wichtig und wertvoll zu sein. Wir lernen die Herausforderungen und Sorgen des*der anderen kennen und entwickeln Verständnis dafür, was ihn*sie bewegt. Durch echtes Zuhören kann auch Vertrauen zueinander (wieder)gewonnen werden. Und schließlich hilft es oft, wenn jemand einfach nur zuhört und durch gezieltes Nachfragen dabei unterstützt, selbst eine Lösung zu finden. Dadurch wird die Problemlösekompetenz gefördert.
Wir spielen: „Ich höre dir zu“
Ihr braucht:
- Eigentlich nichts, außer ein paar Minuten Zeit und ein offenes Ohr
Und so geht’s:
- Sucht euch eine alltägliche Situation aus, über die jemand erzählen möchte. Das kann ein Erlebnis aus der Schule sein, ein kleineres Ärgernis mit dem Geschirrspüler oder eine lustige Situation aus der Arbeit.
- Hört dann auf eine vielleicht ganz neue Art und Weise aktiv zu – hier die Spielregeln:
- Keine eigenen Geschichten: Höre zu, ohne von deinen eigenen Erfahrungen/Geschichten zu erzählen.
- Keine Ratschläge: Höre zu, ohne Tipps zu geben.
- Keine Bewertung: Bewerte das Gehörte nicht – weder lobend noch tadelnd; lass deinem Gegenüber seine*ihre Empfindungen und Bedürfnisse.
- Nachfragen: Stelle Fragen bis du sicher bist, dass du alles richtig verstanden hast (Was ist genau passiert? Wie geht’s dir damit? Was könnte dich unterstützen? Wofür ist dir das wichtig? KEINE Warum-Fragen!) – so beugst du Missverständnissen vor.
- Zusammenfassen: Wiederhole zwischendurch immer sinngemäß, was du beim Zuhören verstanden hast (Sachinhalte – Du hast also … gemacht.; nonverbale Botschaften – Als du mir das erzählt hast, hast du gelächelt.; Gefühle – Ich habe das Gefühl, das hat sich für dich … angefühlt, richtig?; Bedürfnisse – Du hättest also … gebraucht?)
WICHTIG:
Die ersten Versuche können – wie beim Erlernen jeder anderen neuen Fähigkeit – anstrengend sein, aber gebt nicht auf!
Sucht euch zum Üben alltägliche Situationen aus und probiert es immer wieder. Dann könnt ihr einander auch in Konfliktsituationen oder bei besonderen Herausforderungen aktiv Zuhören.
Und wie kann’s weitergehen?
- Wie fühlt es sich an, wenn dir jemand wirklich zuhört?
- Was hast du über die Person gelernt, die dir erzählt hat?
- Wie könnte aktives Zuhören eure Kommunikation im Alltag verbessern?
- Beobachtet eure Körpersprache: Achtet darauf, dass ihr einander anseht, nickt und eine offene Haltung zeigt. Das zeigt eurem Gegenüber, dass ihr wirklich interessiert seid.
Ich lade euch ein, das aktive Zuhören einmal auszuprobieren und zu entdeckten, wie sich eure Gespräche verändern. Ihr werdet feststellen, dass es nicht nur das Verständnis füreinander stärkt, sondern auch das Vertrauen und die Bindung zueinander. Viel Spaß beim Entdecken, was ihr einander wirklich zu sagen habt!
* Das Konzept des „Aktiven Zuhörens“ wurde von Carl Rogers (amerikanischer Psychologe) entwickelt. Thomas Gordon, ein Schüler von Rogers, integrierte es in seine Methoden zur Konfliktlösung und Eltern-Kind-Kommunikation. Seitdem hat sich aktives Zuhören in vielen Bereichen wie Therapie, Beratung und Management etabliert und ist zentral für effektive Kommunikation und Konfliktlösung.