Die Schule geht (wieder) los und mit ihr stellen sich auch die verschiedensten Erwartungen ein. Eltern wünschen sich möglicherweise, dass ihre Kinder erfolgreich und motiviert in das Jahr starten und dieses gut meistern. Die Kinder wiederum haben oft ganz andere Vorstellungen davon, was das neue Schuljahr bringen soll. Da stehen die Treffen mit Freuden viel weiter oben auf der Prioritätenliste als etwa die schulischen Leistungen.
Und für manche Kinder wie auch Eltern steht die Sorge im Vordergrund, wie sie den Anforderungen des neuen Schuljahres gerecht werden können.
Das Schuljahr positiv beginnen und gestalten
Damit das neue Schuljahr für die ganze Familie gelingen kann, möchte ich euch einen wichtigen Gedanken weitergeben: Seht und behandelt euch gegenseitig als Subjekte und nicht als Objekte von (eigenen) Erwartungen.
Was meine ich damit:
Jede*r von uns – ob Kind oder Erwachsene*r – hat seine*ihre eigenen Stärken, Schwächen und Bedürfnisse. Wir sind keine Projektionsfläche für die Wünsche anderer oder dafür da, deren Vorstellungen zu erfüllen.
Stattdessen sind wir eigenständige Persönlichkeiten, die ihren eigenen Weg finden und gehen dürfen – mit eigenen Herausforderungen, Zielen und Potenzialen.
Hier ein paar Ideen, wie ihr zu Schulbeginn eine unterstützende Atmosphäre schaffen könnt, in der persönliches Wachstum für alle Familienmitglieder möglich wird:
- Offene Kommunikation: Sprecht als Familie über eure Erwartungen, Vorstellungen, Ziele aber auch Bedenken. Was wünscht ihr euch vom neuen Schuljahr? Welche Sorgen habt ihr?
- Realistische Ziele: Setzt euch erreichbare Ziele – jede*r für sich und auch für euch gemeinsam. Bevor ihr euch überfordert, denkt daran: Kleine Schritte führen oft zu großen Erfolgen.
- Unterstützung statt Druck: Unterstützt euch gegenseitig und vermeidet unnötigen Leistungsdruck. Dass es manchmal etwas Motivation von außen braucht, ist klar. Übermäßiger Druck schadet aber nicht nur den Noten sondern auch eurer Beziehung.
- Freude am Lernen: Der Spaß am Lernen sollte immer im Vordergrund stehen. Und möglicherweise ist „gut“ auch einfach „gut genug“.
Erwartungen auf den Kopf stellen
Diese Übung hilft, verborgene Erwartungen zu erkennen, sie direkt in der Situation zu reflektieren und auf spielerische Weise zu entschärfen.
Ihr braucht:
- Eine konkrete Situation mit einer Erwartung
Und so geht’s:
- Situation erkennen: Wenn du merkst, dass in einer konkreten Situation (z.B. beim morgendlichen Fertigmachen, während der Hausübung, etc.) eine bestimmte Erwartung – an dich selbst oder andere – auftaucht, halte kurz inne. Beispiele: mit irgendetwas schneller fertig werden, perfekte Hausübungen, eine bessere Note, mehr Motivation beim Lernen, eine saubere Küche,…
- Erwartung auf den Kopf stellen: Sag dir nun bewusst deine Erwartung mit den Worten „Ich erwarte, dass …“. Und dann dreh die Erwartung humorvoll um. Anstatt „Ich erwarte, dass die Küche blitzblank ist“, könntest du laut oder leise für dich sagen: „Ich erwarte, dass die Küche ausschaut wie ein Schweinstall, ich mir einen Cocktail einschenke und darauf trinke.“ Diese absurde Umkehrung hilft, die Situation zu entspannen und lässt dich im besten Fall laut lachen.
- Erwartung reflektieren: Wenn es um eine Erwartung an eine andere Person geht, dann teile diese gerne auch mit ihr. Lacht gemeinsam darüber und besprecht dann kurz, warum diese ursprüngliche Erwartung da ist. Ist sie wirklich notwendig? Wie könntet ihr die Situation anders angehen, sodass weniger Druck entsteht?
Vielleicht hast du von irgendjemandem gehört, dass „man“ und zwar „immer“ eine saubere, blitzblanke Küche hat und diese Idee einfach übernommen. Jetzt darfst du dir darüber Gedanken machen, ob du nicht doch lieber den Cocktail nehmen möchtest. - Neue Perspektiven entwickeln:
Nachdem die Erwartung auf den Kopf gestellt wurde, kannst du/könnt ihr gemeinsam überlegen, wie du/ihr in Zukunft entspannter mit ähnlichen Situationen umgehen willst/wollt. Vielleicht kommst du/kommt ihr darauf, dass es auch mal okay ist, Dinge langsamer oder entspannter oder einfach anders anzugehen.
Und wie kann’s weitergehen?
Nachdem ihr die Übung „Erwartungen auf den Kopf stellen“ in euren Alltag integriert habt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den positiven Effekt nachhaltig zu verstärken:
- Regelmäßige Reflexion: Setzt euch am Ende der Woche zusammen und reflektiert, wie gut es euch gelungen ist, Erwartungen zu erkennen und zu entschärfen. Was hat gut funktioniert? Wo könntet ihr noch lockerer werden?
- Erwartungen als Familie festlegen: Nehmt euch regelmäßig Zeit, um gemeinsam als Familie über Erwartungen zu sprechen. Vielleicht entwickelt ihr einen „Erwartungen-Kodex“, in dem ihr festhaltet, welche Erwartungen realistisch und hilfreich sind und welche ihr loslassen wollt.
- Positives Verstärken: Wenn ihr bemerkt, dass jemand in der Familie besonders gut mit einer Situation umgegangen ist, in der Erwartungen auftauchten, lobt das Verhalten und besprecht, warum es so hilfreich war. Positive Verstärkung hilft dabei, neue Verhaltensweisen zu festigen.
- Spaßige Routinen etablieren: Macht das Umkehren von Erwartungen zu einer kleinen, lustigen Routine. Vielleicht führt ihr einen „Erwartungs-Dienstag“ ein, an dem ihr bewusst Erwartungen humorvoll umkehrt, um gemeinsam darüber zu lachen und die Woche entspannt zu beginnen.
- Glaubenssätze stärken: Ergänzt die Übung, indem ihr positive Glaubenssätze entwickelt, die euch durch das Schuljahr begleiten. Zum Beispiel: „Es ist okay, Fehler zu machen, weil wir daraus lernen können.“ Diese Glaubenssätze könnt ihr in stressigen Momenten bewusst hervorrufen, um euch zu erinnern, dass es nicht immer perfekt laufen muss.
Gestaltet für euch gemeinsam ein entspannteres und harmonischeres Schuljahr, in dem sich alle Familienmitglieder respektiert und unterstützt fühlen. Denkt daran: Der Schulstart ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, gemeinsam zu wachsen und neue, stärkende Routinen zu entwickeln. Und vor allem, um zu lachen. Viel Spaß dabei!